Rezension - Pink Hotel

Pink Hotel 
von Anna Stothard


Verlag: Diogenes Verlag
Originaltitel: The Pink Hotel
Übersetzung: Hans M. Herzog und Astrid Arz
Ausstattung: Broschiert 368 Seiten
Genre: Roman, Gegenwartsliteratur
Erscheinungsdatum: 1. Auflage 28. August 2012
ISBN: 978-3-257-86221-8
   
                       


Inhalt:
Ein 17 jähriges Mädchen reist mit der geklauten Kreditkarte ihres Vaters von London nach Los Angeles, nachdem sie erfährt, dass ihr leibliche Mutter Lily bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Sie hatte nie Kontakt zu ihrer Mutter, weiß nichts über sie und möchte nach ihrem Tod endlich erfahren, wer sie war und wie sie gelebt hat. Ob jemand wusste, dass sie eine Tochter hatte und ob sie Hinweise findet, warum sie zurückgelassen wurde. In L.A. angekommen, begeht sie zum ersten Mal den letzten Wohnort von Lily. 
Ein heruntergekommenes Hotel namens "Pink Hotel" in Venice Beach, Kalifornien. Sie steht in ihrem Schlafzimmer, im Schlafzimmer einer für sie fremden Frau. Betrachtet Bilder, Kleider, Schmuck. Sie findet unter dem Bett einen roten Koffer, den sie mit ein paar Kleidern, dem Schmuck, Kosmetik und Zigaretten befüllt und kurzerhand mitnimmt. Zu diesem Zeitpunkt, weiß Sie noch nicht, dass dieser Koffer in einer Seitentasche alte Fotos und Liebesbriefe beinhaltet, welche ihr helfen werden, ihre Mutter endlich kennenzulernen. Auf dem Weg zu ihrem Hostel ruht sie sich ein wenig an der Strandpromenade aus und trifft auf einen großen, betrunkenen Mann, den sie Minuten vorher bereits im Hotel beobachtet hat. Sie ahnt noch nicht, das es nicht die letzte Begegnung mit diesem Fremden names David sein wird.
Handlung/Charaktere:

Die Protagonistin ein 17 jähriges Mädchen ist anfänglich noch unbekannt und namenlos. Dies wiederum ist passend, denn das Mädchen weiß nicht wirklich wohin sie gehört und ist auf der Reise zu sich selbst, indem sie versucht herauszufinden ob sie vielleicht wie ihre Mutter ist. Sie glaubt sogar unsichtbar zu sein für ihre Umwelt und erklärt dies anhand von Vorfällen in ihrer Vergangenheit. Der Wunsch wahrgenommen zu werden wird fortlaufend immer deutlicher. Auch der Aufbau der Geschichte ermöglicht dem Leser einen schnellen Einstieg in die Handlung und wird durch immer wieder kurze Erzählungen aus der Vergangenheit der Protagonistin und den Briefen, die einst ihre Mutter von ihrem letzten Mann erhielt, verständlich gemacht.

Der Sprachstil der Autorin ist passend zur anfänglichen Verwirrtheit der Protagonistin gewählt. Die Darstellung ihres Charakters ist nicht nur jugendlich wild sondern auch für ihr Alter melancholisch, reif und sogar wenn man ihren Lebenslauf betrachtet, durchtrieben und berechnend. Anna Stothard lässt den Leser an der Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin so wortgewandt teilnehmen, wie man selten gelesen hat. Ihre Wortwahl, die Umschreibung einfacher Dinge und Situationen sind so präzise als würde man selber diese Gedanken führen. 


Ich schlief nicht gern mit jemand anderem im selben Bett, schon gar nicht in dessen Armen. Allein der Gedanke daran, bei so viel Nähe einzuschlafen, ließ mich so bewusst auf meinen Atem achten, dass Einatmen ähnlich kompliziert wurde, wie einen Schlagzeugrhythmus zu halten.
                                                                                                                              Seite 85 
 
Eine ganz wichtige Rolle neben der Protagonistin nimmt der Fremde David im Verlauf der Geschichte ein. Sein handeln, seine Lebensart alles passt zusammen. Anna Stothard schafft nicht nur die Suche eines Mädchen nach ihrer Identität sondern lässt sie auch ihre erste Liebe erleben. Von Anfang bis Ende ist man mitten in dieser Liebesgeschichte, die sich neben der Reise in die Vergangenheit der Mutter entwickelt. Zeitweise kindlich naiv und doch phasenweise prickelnd erotisch und etwas verrucht. Die Entwicklung dieses Romans überrascht einen zum Ende hin sehr. Denn obwohl man stets an der Seite der Protagonistin diese Reise erlebt, ist bis zum letzten Viertel der Ausgang nicht vorhersehbar.

Meine persönliche Meinung:

Pink Hotel von Anna Stothard hat mich mehr als positiv überrascht. Ich hatte im Magazin des Diogenes Verlag ein Interview mit der jungen Autorin gelesen, wo sie auch den Hintergrund ihrer Idee für diesen Roman beschreibt. Obwohl ich von dem Interview begeistert war, konnte ich mir nicht vorstellen, das ihr Schreibstil und der Aufbau der Geschichte wirklich so herausragend sein würden. Im Nachhinein kann ich sagen, es ist ein wunderbares Buch, das Ausschnitte über Anna Stothards eigenes Leben in L.A. wiedergibt. Über ein L.A., dass wir so nicht kennen. Weit weg vom schillernden Hollywood. Ihre Schreibweise hat mir sehr gefallen. Detailgetreue Umgebungsbeschreibungen und auch wie sie teilweise Alltagssituationen und Bilder, die wir selber oft im Kopf haben, in Worte fassen kann, hat mich fasziniert. Viele Absätze im Buch, die das Gefühlsleben der Protagonistin beschreiben, habe ich mehrmals gelesen um sie mir einzuprägen, weil ich von ihrer Wortwahl und der ausführlichen Beschreibung begeistert war. Es ist noch zu sagen, dass es kein Buch ist, das man einfach und locker lesen kann. Es ist tiefgründig, an manchen Stellen melancholisch und trotz einiger Passagen, die durchaus lustig sind bleibt der ernsthafte und emotionale Hintergrund der Geschichte stets erhalten. Ein Roman über das Suchen und Finden der eigenen Persönlichkeit auf einer Reise durch ein fremdes Land mit dem Wunsch nach endlich "Ankommen" zu dürfen.

Rezensiert von Aygen

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