Rezension: Düsteres Verlangen | Kenneth Oppel




Inhalt:

die fünfzehnjährigen Zwillingsbrüder Victor und Konrad Frankenstein wachsen zur Zeit der französischen Revolution in der Nähe des Genfer Sees auf und die beiden verbindet eine sehr innige brüderliche Liebe. Nichts scheint diese Verbundenheit zu trüben, die brüderlichen Bande scheinen fest und unzerreißbar. Und doch ziehen dunkle Wolken auf... Die hübsche und mutige Cousine Elisabeth, die nach dem Verlust ihrer Eltern schon in jungen Jahren wie eine Schwester mit den Zwillingen lebt und aufwächst, erweckt plötzlich ungeahnte Gefühle der Liebe in den Brüdern. Sehr zum Leidwesen von Victor fühlt sich Elisabeth mehr zu dem besonnen und ruhigen Konrad hingezogen. Sein hitziges Temperament kann damit nicht umgehen und er will es auch nicht akzeptieren.

Bevor es jedoch zu einer groben Auseinandersetzung zwischen den Brüdern kommt, erkrankt Konrad plötzlich schwer und ringt mit dem Leben. Victor ist verzweifelt und erinnert sich an die geheimnisvolle Bibliothek, die in einem Geheimgang des Schlosses Frankenstein verborgen liegt. Eine Bibliothek voller Bücher über die praktische Anwendung der Alchemie, die zu dieser Zeit jedoch per Gesetz verboten war. Ein Rezept zur Herstellung des "Elixiers des Lebens" erweckt Viktor´s Aufmerksamkeit. Mit dem Ziel, dieses Elixier zu beschaffen und damit seinen Bruder zu retten, begibt er sich mit Elisabeth und seinem Freund Henry in ein mutiges, aber äußerst gefährliches Abenteuer.

Handlung & Charaktere:

Kenneth Oppel hat sich mit diesem Roman "Düsteres Verlangen" an die allseits bekannte Geschichte des monsterschaffenden Victor Frankensteins herangewagt und sozusagen eine Vorgeschichte zu dieser Person erschaffen. Die Geschichte wird auch in der "Ich"-Form erzählt und gibt dem Leser einen tiefen Einblick in Viktor´s Gedankenwelt. Der Schreibstil ist sehr angenehm und fesselnd und das Lesen geht daher sehr leicht von der Hand. Man fühlt sich unbewusst als Teil der Geschichte und begleitet die Abenteuerer bei ihren wagemutigen Erlebnissen und ehe man sich versieht, ist das Buch zu Ende. Die gefährlichen Abenteuer, die Victor mit seinen Gefährten auf der Suche nach den Zutaten für das "Elixier des Lebens" bestehen muss, sind zwar nicht äußerst detailreich, aber dafür sehr temporeich beschrieben, was automatisch zum Mitfiebern einlädt. Gerade dieses Tempo und die recht kurz gehaltenen Kapitel fesseln an das Buch und man mag es nicht beiseite legen, bis nicht auch die letzte Seite umgeschlagen ist. 

Die Ausarbeitung der Charaktere ist - was die Gefühle, die Emotionen, die Gedanken und die Charaktereigenschaften betrifft - wunderbar gelungen, vor allem bei den Zwillingsbrüdern. 
Brüder, die charakteristisch nicht unterschiedlicher sein könnten und sich wohl gerade aus diesem Grund wunderbar ergänzen. Zumindest, bis die Liebe ins Spiel kommt...
Zum Einen ist hier Konrad, der Besonnene, der Ruhige und Nachdenkliche. Er ist 2 Minuten älter als sein Bruder und aus Victors Sicht auch der erfolgreichere, geliebtere Bruder. Ihm scheint alles gut von der Hand zu gehen und auf Anhieb zu gelingen. Das Lernen fällt ihm leicht und auch das zwischenmenschliche Miteinander, zum Beispiel die Gespräche mit den Angestellten, geht ihm leichter von der Hand.
Victor hingegen muss sich alles hart erarbeiten und trainieren. Er ist sehr mutig, tapfer und unglaublich neugierig, aber auch sehr störrisch und dickköpfig, hitzig und sehr temperamentvoll. Niederlagen duldet er nicht, am liebsten wäre es ihm, alles würde nach seinem Kopf gehen.
Trotz der innigen Verbundenheit und Liebe zu seinem Zwillingsbruder ist immer ein gewisser Missmut vorhanden, wenn Konrad wieder einen Erfolg erzielt hat, ohne sich großartig dafür anzustrengen. Dass die mutige und durchaus auch sehr hitzköpfige Elisabeth ausgerechnet Konrads Gefühle erwidert und ihn - Victor - zurückweist, nagt sehr an ihm und schafft Nährboden für äußerst negative Gedanken. Plötzlich wächst Victors dunkle und düstere Seite und er tut nicht viel, dies zu verhindern. Sein innerer Kampf wird sehr gut dargestellt.  Victor erscheint dem Leser nicht gerade sympathisch mit seiner Selbstsucht, aber er verkörpert gerade dadurch perfekt DEN Victor Frankenstein, zu dem er später einmal wird. Eine wunderbare Vorarbeit.
Und man fragt sich während des Lesens immer wieder: Wie weit wird Victor gehen, für die Liebe zu seinem Bruder, für die Liebe zu Elisabeth ... und für die Liebe zu sich selbst, zu seinem Ego? 
 Die äußerliche Beschreibung der einzelnen Charaktere und auch des Schlosses Frankenstein hätten im Gegenzug gerne etwas ausführlicher, etwas bildreicher sein dürfen. 

Der Leser bekommt einen kleinen, aber feinen Einblick in die damalige Welt, den damaligen Wissenstand der Medizin (was in unserer heutigen Zeit schon fast erschreckend wirkt ) und der Einstellung der Menschen zu alternativen Methoden wie zum Beispiel der Alchemie. Konrads behandelnder Arzt befasste sich mit der Behandlung von Konrads Blut. zur damaligen Zeit erschien es den Menschen undenkbar, dass man auf diese Weise jemanden heilen kann und stand dieser "modernen" Medizin fast ebenso skeptisch gegenüber wie der Alchemie.


Mein persönliches Fazit:

"Düsteres Verlangen" ist der erste Roman, den ich von Kenneth Oppel gelesen habe und daher war ich noch unbeeinflusst, was die Arbeit des Autors betraf. Aber ich muss wirklich sagen, dass ich dieses Buch sehr gerne gelesen habe. Eine gelungene Komposition aus Freundschaft, Brüderlichkeit und Liebe, aber auch Groll, Stolz und Eifersucht. 
Bis auf einige Kleinigkeiten hat mir der Aufbau, die Gestaltung und die Thematik sehr gut zugesagt. Wie schon erwähnt, fehlt mir etwas die bildreiche äußere Darstellung der Protagonisten und auch des Frankenstein´schen Schlosses. Eigentlich eine wunderbare Kulisse, die aber - bis auf die geheime Bibliothek - groß keiner Beschreibung gewürdigt wird. 
Gerne hätte ich mir auch mehr Aspekte und Szenen im alchemistischen Bereich gewünscht, hoffe hier jedoch sehr auf den Folgeband, denn dies scheint ja der Weg zu sein, den Victor weiter einschlagen wird. 
Mit hat das Buch sehr gut gefallen. Ein Happy End bleibt aus und der Schluss des Buches bereitet den Leser auf eine düstere Fortsetzung vor, von der ich hoffe, dass es noch eine geben wird. Leider kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob hier noch ein Band angeknüpft wird, bevor wir wieder auf die bekannte Frankenstein-Geschichte stoßen.

© Rezension, Alexandra 


[alexandra]

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