Rezension: Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag
von Jutta Wilke
Verlag: Coppenrath
Seiten: 288
ISBN: 9783649605669
Alter: ab 12 Jahren
"Ich war fünf, als ich fliegen lernte. Ich schlüpfte aus den Armen meiner Mutter , die im hüfthohen Wasser stand, wand mich unter dem Seil hindurch und flatterte davon wie ein kleiner Vogel. Kein Boden mehr unter den Füßen und keine Hände mehr, die mich umklammerten.
Über mir der Himmel und unter mir nichts als Wasser."

Inhalt: 

Jana Schwarzer, eine leidenschaftliche Schwimmerin, hat es geschafft: Sie erhält ein Stipendium für ein renommiertes Sportinternat.  Ihren Mitschülern, die allesamt aus der gesellschaftlichen Oberschicht kommen, ist sie jedoch ein Dorn im Auge . Aber Jana kümmert sich nicht darum. Für sie zählt nur das Schwimmen - und das kann sie gut. Sehr gut sogar. Sie ist die härteste Konkurrentin für Melanie Wieland, das Schwimm-Ass der Schule.  Und doch ist gerade Melanie auch ihre einzige Freundin. 
Für Jana ist der Sieg nicht wichtig, nur die Leistung. Im Schwimmen hat sie endlich ihre Freiheit gefunden. Wenn sie schwimmt, dann spürt sie, wie alle Probleme, alle Sorgen von ihr abfallen und sie abhebt wie ein Schmetterling, der dem Himmel und der Freiheit entgegen fliegt. 

Aus für Jana sehr unbegreiflichen Umständen kommt es zum Streit zwischen ihr und Melanie und alle Versöhnungversuche ihrerseit scheitern. Und plötzlich ist Melanie tot...Wie ein gebrochener Engel liegt sie morgens neben dem Schwimmbecken. Für Jana bricht eine Welt zusammen.  Was ist hier passiert? Woran ist Melanie gestorben? 
Die Ärzte diagnostizieren ein Herzversagen, aber Jana kann und will dies nicht glauben. Melanie war doch so stark. Daher versucht sie, auf eigene Faust herauszufinden, was tatsächlich hinter Melanies Tod steckt. Überraschend bekommt sie Hilfe von Mels Bruder Mika. Gemeinsam stoßen sie auf die schreckliche Wahrheit.

Handlung & Charaktere: 

Jutta Wilke hat mit  "Wie ein Flügelschlag " einen äußerst spannenden und auch emotiongeladenen Jugend-Thriller vorgelegt, der den Leser regelrecht fesselt. Gleich nach den ersten Seiten versinkt man völlig in der Geschichte und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Das Buch wird aus Jana´s Sicht  in der "Ich"-Perspektive erzählt und gerade das macht unheimlich viel aus - denn so bekommt der Leser einen großen Einblick in Jana´s Gefühlswelt. Die Schreibweise fasziniert, da gerade für das Darstellen der Gefühle und Emotionen viele Metaphern verwendet werden.
Ein schönes Beispiel hierfür findet man unter Anderem auf Seite 155:

"Ich falle und falle und da, wo der Aufprall meinem Sturz ein Ende setzen müsse, tut sich der Boden unter mir auf und ich falle weiter.
Und die Wahrheit fällt unbarmherzig mir mir, hält mich fest umklammert und denkt nicht daran, mich loszulassen. Melanie ist tot."

Wirklich toll gelöst ist auch das Einbringen der unbekannten Person ins Geschehen. Die vereinzelten, geheimnisvollen Abschnitte der unbekannten Person zwischen den Kapiteln steigern die Spannung, denn nun wird auch dem Leser klar, dass der Mels Tod nicht einfach "nur" ein Herzversagen war, sondern dass hier mehr dahintersteckt...das JEMAND dahintersteckt...

Die Protagonistin Jana ist eine starke Persönlichkeit, auch wenn sie im ersten Moment nicht so erscheint. Bei weiterem Lesen wird man jedoch feststellen, welche Stärke tatsächlich in ihr steckt. Sie hat es geschafft, hat einen Weg gefunden, sich aus der starken Umklammerung ihrer stark labilen Mutter zu befreien. Einer Mutter, deren eigenes Leben total aus den Fugen geriet und die nun durch ihre Tochter lebt und diese am liebsten Zuhause in einen goldenen Käfig sperren möchte. Durch das Schwimmen kann Jana diesem Käfig entfliehen. Sie fliegt davon wie ein Schmetterling... 
Der Schmetterling steht für Jana als Symbol für diesen gewonnenen Kampf. Es bedarf schon einer innerer Stärke, sich gegen die Mutter zu stellen. Auch der Hass ihrer Mitschüler versucht sie immer wieder abzuschütteln und nicht an sich heran zu lassen. Und auch hier hilft ihr das Schwimmen wieder. Schwimmen und atmen...das bedeutet Freiheit für Jana. 
Und ohne jeglichen Rückhalt ihrer Mitschüler und ihrer Mutter kämpft sie verbissen um die Wahrheit - und siegt auch hier.

Man fühlt und leidet mit Jana während des Lesens und genießt aber auch die schönen Momente mit ihr, in denen sie zaghaft die Liebe entdeckt.
Melanies Vater verkörpert alle Klischees des karrierebesessenen Mannes, der seinen Erfolg durch seine Kinder weiterleben möchte. Melanie kämpft um dessen Anerkennung und nimmt daher seine Manipulation scheinbar resigniert in Kauf. Mels Mutter möchte man am liebsten kräftig schütteln und sagen "Wach auf und wehr dich! " , kommt sie doch so sehr als verschrecktes Mäusschen daher, das nicht mal wagt, in normaler Lautstärke zu sprechen. Mika erscheint gleich zu Beginn sehr sympathisch, offen und herzlich. Auch dass er nach dem tragischen Tod seiner Schwester nicht resigniert und Mel bei der Suche nach der Wahrheit hilft, spricht für einen starken Charakter.Das zarte Erwachen der Liebe zwischen Mika und Jana sorgen für schöne Lesemomente und lockern die düstere Thrillerstimmung auf.

Cover & Aufmachung:

Die Covergestaltung ist in meinen Augen einfach nur gelungen und sehr ansprechend. Nach einigen gelesenen Seiten stellt man auch gleich den Zusammenhang zwischen der Protagonistin und den abgebildeten Schmetterlingen dar.
Das blau spiegelt zum einen den Himmel und zum Anderen aber auch das Wasser dar - beide Elemente, die Zusammen die  große Freiheit für Jana bedeuten. 
Entfernt man den Schutzumschlag, findet man ein fast komplett schwarzes Buch vor, auch das Lesezeichenband ist schwarz gehalten. In meinen Augen stellt das den Kontrast zur Freiheit auf dem Schutzumschlag dar und symbolisiert Janas Trauer um ihre Freundin Melanie.  Sehr ansprechend ist auch die Darstellung des Schmetterlings zu jedem Beginn eines neuen Kapitels. Diese Gedanken der unbekannten Person werden jeweils auf einer separaten Seite in kursiver Schrift dargestellt und erhöhen alleine schon durch diese Darstellung die Spannung beim lesen.

Fazit: 

"Wie ein Flügelschlag" ist ein wahrlich gelungener Jugend-Thriller, der mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen und fasziniert hat. ich wollte das Buch nicht aus der Hand legen und so habe ich es an einem Stück gelesen. 
Ein Buch, dass den Leser zudem nachdenklich stimmt, was sportlichen Ehrgeiz, Macht und Karriere betrifft. Wie weit darf man gehen, wo sind die Grenzen und wer bestimmt diese? Wie weit dürfen Eltern gehen im Vorantreiben ihrer eigenen Kinder? 
Ein Buch, das sich zu Recht als "All Ager" bezeichnen darf. Denn nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene aller Altersklassen werden Gefallen an diesem einfach nur schönen Buch haben.

© Rezension, Alexandra


Zur Autorin: 

Über zwölf Jahre war Jutta Wilke selbstständige Anwältin für Familienrecht. Nach der Geburt ihres fünften Kindes hängte sie ihre Robe an den Nagel, um sich ganz ihrer auf XL-Format angewachsenen Großfamilie widmen zu können. Als dann auch der jüngste Spross der Familie einen Kindergartenplatz ergattern konnte, beschloss Jutta Wilke, noch einmal ganz neu durchzustarten und endlich das zu machen, wovon sie ihr Leben lang geträumt hatte: Kinderbuchautorin werden. „Holundermond“ ist ihr erster Roman. 
Quelle: Website Coppenrath Verlag

[alexandra]

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